Zum 25-jährigen Standort-Jubiläum: Peter Baumann im Interview

Zum 25-jährigen Standortjubiläum: Peter Baumann im Interview

Peter Baumann war in der Zeit von 1998 bis zum Eintritt in den Ruhestand 2020 als Geschäftsführer der 24plus Systemverkehre GmbH & Co. KG tätig und begleitete die Entstehung des Standorts Hauneck maßgeblich. Zu Ehren des 25-jährigen Standortjubiläums berichtet er über die Herausforderungen und Erfolge bis zur Fertigstellung des 24plus-Zentralumschlagbetriebs, der seit einem Vierteljahrhundert für Innovation und Fortschritt steht.

Die Anfänge der 24plus Systemverkehre

Als ich im Sommer 1998 Geschäftsführer von 24plus wurde, war das eine sehr aufregende und dynamische Zeit. Ich kam von einem Logistikkonzern und war dort am Aufbau von systematischen Stückgutverkehren und des ersten modernen Hubs in Europa beteiligt. Dort gab es allerdings konzerntypisch für jeden denkbaren Bereich Fachabteilungen. Bei 24plus fand ich mich zunächst einmal in nur zwei Räumen wieder, die sich im Gebäude der Spedition August L. König – einer der Gründungsgesellschafter der 24plus – in Frankfurt befanden und als 24plus-Geschäftsstelle fungierten. Hinzu kamen sieben Aktenordner, eine Sekretärin und ein PC.

Die Kooperation hatte sich erst eineinhalb Jahre zuvor gegründet und es fuhren 32 Systempartner bereits jede Nacht das damalige 24plus-Zentralhub in Eichenzell bei Fulda an, das damals noch von einem anderen Dienstleister betrieben wurde. Die äußeren und ablauftechnischen Bedingungen waren – charmant ausgedrückt – eher bescheiden. Die Systempartner fuhren den Hub zudem mit ziemlich „kontrastreichen“ Fahrzeugen an: Vom konventionellen Lkw über Wechselbrücken bis zum Planen-Sattelauflieger, vom eher altersschwachen und entsprechend langsamen Lkw bis hin zur modernen Zugmaschine – Es war alles vertreten, womit man Transporte auf der Straße durchführen konnte.

Auch Fahrplandisziplin wegen getakteter An- und Abfahrtszeiten war ein Fremdwort. In der damaligen Zeit waren (nicht nur) die regional vertretenen stolzen Mittelstands-Spediteure mehr darauf fixiert, die Linien-Lkw am Abend lieber noch warten zu lassen, bis auch die letzte Palette eines wichtigen Kunden abgeholt und verladen war – und die Abfahrt sich damit auch lohnte.

Neue Anforderungen wandelten die Branche

Die Zeiten änderten sich jedoch rasant und andere, an Industriewünsche angepasste Prozesse waren gefragt. ‚Just in Time‘ war so ein Schlagwort in dieser turbulenten Zeit der sich extrem rasch verändernden Speditionsanforderungen. Nicht jede ehemals stolze, klassische Spedition überlebte diese Phase. Insofern war der Zusammenschluss mittelständischer Speditionen zu Kooperationen ein absolut richtiger und vor allem überlebenswichtiger Weg, auch wenn seinerzeit schon noch Welten aufeinanderprallten: Nämlich die klassische Sammelgutspedition und der getaktete Systemverkehr.

Es brauchte Visionen und neue Konzepte. Eine Herausforderung ganz nach meinem Geschmack, für die ich den sicheren „Konzernhafen“ verlassen hatte und für die ich brannte.

System- und Gesellschafterversammlung 1998

Noch sehr gut kann ich mich an die erste Gesellschafterversammlung bei 24plus erinnern. Die Erweiterung des bisherigen Hubs in Eichenzell stand im Raum und sollte beschlossen werden. Jetzt kam mein Einsatz: Ich konnte meine (mutigen) Vorstellungen eines nach industriellen Maßstäben getakteten Hubs vorstellen und überzeugen. Ein höchst verantwortungsvolles Unterfangen, denn statt eines Vertrages über einen Anbau in Eichenzell zu unterzeichnen, durften gleich zwei ‚Youngsters‘ – der gerade in den Aufsichtsrat gewählte Christoph Kleine (Grevenbroich) und ich – dem Vermieter mitteilen, dass der Vertrag nicht verlängert wird.

Hauneck: Ein geeigneter Standort?

Damit lief die Zeit. In nur eineinhalb Jahren, bis zum 31. Dezember 1999, musste ein neuer Hub entwickelt, konzipiert, geplant und gebaut werden. Wo konkret der neue Hub stehen sollte, stand zu diesem Zeitpunkt noch völlig in den Sternen. Der Ansporn war riesig, denn die Gesellschafter hatten hier ein Millionen-Projekt beschlossen – es gab kein Zurück mehr! Ein verkehrstechnisch optimaler Standort mit geeignetem Bebauungs-Gelände musste gefunden, das operative Konzept detailliert entwickelt, Baupläne erstellt und Bauausführende gefunden werden. Außerdem musste die Finanzierung sichergestellt werden.

Ohne den unermüdlichen Einsatz des damaligen Aufsichtsrates mit Michael G. König, Olaf Bienek und Christoph Kleine wäre das nicht zu schaffen gewesen, denn es konnten oder wollten sich nicht alle damaligen 24plus-Gesellschafter an der Finanzierung beteiligen. So wurde eine eigene Objektgesellschaft gegründet, die als offizieller Bauherr fungierte und bis heute Eigentümer der Anlage ist.

Ein geeigneter Standort in der verkehrsgeografischen Mitte Deutschlands wurde gesucht – präferiert wurde die Region Bad Hersfeld. Unmittelbare Autobahnnähe, eine parallel verlaufende Bundesstraße als Ausweichroute und optimalerweise in einem Industriegebiet ohne Einschränkungen in der Umschlagtätigkeit bei Nacht waren wesentliche Anforderungen. Und tatsächlich wurden wir direkt vor den Toren Bad Hersfelds und in unmittelbarer Autobahnnähe fündig. Dort war gerade ein großes Hangareal zusammen mit einem Entwickler zum Gewerbegebiet umgewidmet worden. Dann kam die erste Ortsbesichtigung und damit starke Zweifel am geeigneten Gelände – Feldwege, teilweise Steilhang, Kuh- und Schafweiden. Der Objektentwickler konnte uns jedoch überzeugen.

Ich muss es deutlich sagen: ohne die tatkräftige Unterstützung der örtlichen und regionalen Behörden und der Politik wäre es wohl nicht gelungen, binnen eineinhalb Jahren dieses für uns gewaltige Projekt zu realisieren.

 

Bild der Fertiggestellten Anlage aus dem Dezember 1999.
Bild der Fertiggestellten Anlage aus dem Dezember 1999.

 

Von der Planungsphase bis zur Realisierung

Intern wurde fleißig darüber diskutiert, wie groß denn dieser neue Hub werden sollte. 140 Tore? 96 Tore? Oder doch nur 76 Tore? Hier musste Einigkeit herrschen! Schließlich einigten sich die Gesellschafter auf eine Hallengröße mit 96 Toren mit der baulichen Option einer Erweiterung. Immerhin war damit der notwendigen Expansion der Partner sowohl national als auch international der Weg bereitet. Bereits 2006 wurde übrigens das Zentralhub auf seine heutige Größe mit 104 Toren erweitert.

Neben den technischen Planungen für das neue Zentralhub galt es, die Produktionsprozesse präzise zu beschreiben. Ich konnte damals u. a. vom Einbau einer Unterflurkettenanlage in der Halle überzeugen, die den Umschlagsprozess vereinfachen und beschleunigen sollte. Da es keine Blaupause gab und innerhalb der 24plus-Partner keine Erfahrungen mit einem Unterflurkettenbetrieb vorlagen, waren meine Erfahrungswerte von großem Nutzen. Es mussten verbindliche Fahrpläne für alle nationalen und internationalen Hub-Lkw, Leistungs- und interne Verrechnungssätze entwickelt und im Zuge des dichter werdenden Partnernetzes die Verteilergebiete für jeden der angeschlossenen Systempartner definiert werden. Eine Herkulesaufgabe, der sich mit großem Engagement der Arbeitskreis Produktion, bestehend aus Expertinnen und Experten der Partner, widmete.

Um den täglichen Hubbetrieb effizient zu managen, entwickelten wir daneben einen Hubmanager der sämtliche Prozessschritte in einem IT-System abbildete. Durch regelmäßige technische Überarbeitungen war dieses Tool sogar bis ins Jahr 2020 im Einsatz.

Prozessumstellung für mehr Effizienz

Eine Sache sei hier erwähnt: Die Gesellschafter von der Idee eines modernen, hoch getakteten Zentralhubs mit Ausweitung auf Europa zu überzeugen, war vergleichsweise einfach. Großes Erstaunen– gefolgt von langen Diskussionen – erreichte ich jedoch mit meiner Forderung, dass der neue Hub ausschließlich mit Doppelstock-Sattelaufliegern mit Rolltor angefahren werden sollte. Für so manchen eingefleischten Wechselbrücken-Spediteur traf dieser Vorschlag mitten ins Spediteursherz. Schließlich gelang es sie auch hier zu überzeugen und mit der Inbetriebnahme des neuen Zentralhubs am 3. Januar 2000 rollten 110 nagelneue einheitliche Doppelstocksattelauflieger mit Rolltor von und zum Hub. Damals ein Novum, denn keine andere Kooperation oder Konzernspedition hatte das bislang geschafft!

Heute sind Doppelstocksattelauflieger in der Stückgutwelt Standard am Markt. Mir selbst war es sehr wichtig, dass sich 24plus zu mehr als ausschließlich einem Hubbetreiber entwickelte. Die vielfältigen Direktverkehre mussten also ebenso in die Prozesse einbezogen werden wie auch neue IT-Tools und Produkte. Schließlich war es den Kunden einerlei, auf welchem Weg die Waren zum Zielpunkt kamen. Daher bestand recht schnell Einigkeit, dass der reine Hubbetrieb des Zentralhubs mit über 100 Mitarbeitern durch einen externen Dienstleister durchgeführt werden sollte, damit sich die schnell wachsende Geschäftsstelle insbesondere um die Entwicklung der Partnerlandschaft und deren Einbeziehung in die einheitlichen Ablaufprozesse kümmern konnte.

Bindung der Partnerlandschaft an die neuen Prozesse

Aus meiner Erfahrung wusste ich, dass es eine unabhängige Triebfeder brauchte, um die tatsächlich bunte und vielfältige Partnerlandschaft an die 24plus-Prozesse zu binden. Dieses Bindeglied waren die Handbücher mit den Prozessbeschreibungen der kompletten Abläufe – sowohl bei den Versand- und Empfangspartnern als auch den Hubs –, die stets gemeinsam mit den Expertengremien der zuständigen Arbeitskreise entwickelt und durch die Gesellschafter als bindend beschlossen wurden.

Ziel war es, eine ISO-Zertifizierung nach DIN ISO 9002 (später 9001) zu erreichen. So wurde das Qualitätsmanagement in der Geschäftsstelle, ebenso wie die anderen Abteilungen, zügig aufgebaut. Um das ehrgeizige Ziel der ISO-Zertifizierung möglichst schnell zu erreichen, brauchte es externe Unterstützung. Diese fand sich in einer einmaligen Möglichkeit, indem sich 24plus an einem Forschungsprojekt der Universität Duisburg federführend beteiligte. Dank derer Unterstützung in Methodik, Verfahren und Trainings gelang es bereits im Jahr 2003, das begehrte Zertifikat zu erreichen.

Die Systempartner wollten damals aus berechtigtem Interesse ihre Direktverkehre schützen – und so waren in den ersten Jahren die Hubanfahrten reglementiert und begrenzt. Neben einem Südhub wurde ein Nordhub – jeweils ansässig bzw. implementiert bei Systempartnern als Regionalhubs – eingerichtet, um den rasch anwachsenden Mengen gerecht zu werden, und um regionale Mengenströme effizient steuern zu können.

 

Drohnenansicht des 24plus Zentralhub in Hauneck.
Bereits im Jahr 2008 wurde das Hub von 75 auf 104 Tore erweitert.

 

Meilensteine der Umstrukturierung

Meilensteine waren sicher die Installation eines einheitlichen IT-Tools zur Steuerung der Beschaffungslogistik, die uns über viele Jahre hinweg eine Präferenz sicherte, sowie die Einführung des Frachtenclearings, also der IT-gestützten einheitlichen Verrechnung und Abrechnung der Frachtleistungen der Partner untereinander. Zwar waren die Gründerväter lange gegen die Einführung eines solches Tool – denn Zahlungen und Zahlungsziele waren schließlich ganz wichtige Instrumente eines Spediteurs – aber auch das wurde mit der Zeit angenommen. Letzten Endes wurde das Clearingsystem für die inzwischen auf über 65 Partner angewachsene Partnerschar zuerst international, schließlich national eingeführt. Es stellte sich rasch heraus, dass die 24plus-Systeme dadurch genauer, schneller, effizienter und bequemer abrechnen konnten als durch eigene (damals teilweise noch rudimentäre) Inhouse-Systeme der Partner.

Insgesamt kann ich feststellen, dass mittelständische Unternehmen und Unternehmer viel mutiger und engagierter waren und sind, als dies gemeinhin vermutet wird. Die aktive Teilnahme an einer Kooperation wie 24plus sicherte und sichert die wirtschaftliche und strategische Basis für den eigenen Erfolg.

Die richtige Entscheidung

Bei meinem Start bei 24plus bestand die Geschäftsstelle – wie oben bereits ausgeführt – aus einer Sekretärin, einem PC und sieben Aktenordnern in eineinhalb Räumen bei der Spedition König im Frankfurter Westhafen. Die Sekretärin teilte sich das Vorzimmer mit Mitarbeiterinnen der Spedition König – optisch getrennt durch ein Aquarium. Internetanschluss und viele andere digitale Errungenschaften gab es noch nicht. Ich brachte dann schließlich mein privates Modem mit und bekam es zum Laufen.

Der Umzug vom winzigen Büro in den Neubau in Hauneck im November 1999 war denkwürdig: Ein dreistöckiges Bürogebäude, komplett modern mit Datenkabeln ausgestattet und zwei eingerichteten Etagen wartete auf uns vorerst drei Mitarbeiter.

Und schließlich folgte der Tag, an dem das 45.000 Quadratmeter große Gelände eingeebnet und die Fundamente ausgehoben wurden. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an diesen kalten,
regnerischen Tag, als ich allein an der Baustelle stand, meinen Blick über dieses große Areal schweifen ließ und mich ganz kurz fragte: War das alles richtig gewesen, was ich da konzipiert hatte und was da nun in Beton gegossen werden sollte … ? Heute weiß ich: Es war die richtige Entscheidung.

 

Sie wollen noch weitere Einblicke? Hier finden Sie weitere spannende Informationen über die Entstehung des Standorts Hauneck. Lesen Sie außerdem das Interview mit Michael Erdmann, der in diesem Jahr ebenfalls sein 25-jähriges Jubiläum bei 24plus feiert und die Eröffnung damals live miterlebte.